Die Deutschen gelten als Inflationsphobiker. Die Hyperinflation der frühen 1920er-Jahre wurde zu einem kollektiven Trauma der Deutschen. Wohl auch deshalb genoss die unabhängige Deutsche Bundesbank als Gralshüterin der D-Mark bei der bundesdeutschen Bevölkerung ein großes Ansehen. Und umso größer war die Skepsis, als die Verantwortung für die Geldwertstabilität im Jahr 1999 schließlich in die Hände der Europäischen Zentralbank (EZB) übergeben wurde.
Das Handelsblatt Research Institute ist deshalb in unserem Auftrag der Frage nachgegangen, was eine höhere Inflation für Privatanlegende/Privatinvestor:innen und deren Handlungsstrategien bedeutet.
Zunächst berechnet das nationale Statistikamt einen Index, der die Entwicklung des Preises eines typischen Endverbraucher-Warenkorbs abbildet. Dieser Warenkorb wird von Zeit zu Zeit an sich ändernde Konsumgewohnheiten angepasst. Mit statistischen Methoden versucht man, den technischen Fortschritt zu berücksichtigen: Schließlich ist ein modernes Smartphone ein völlig anderes Produkt als ein Mobiltelefon vor 20 Jahren.
In Deutschland wird die Inflation anhand des Verbraucherpreisindex (VP) gemessen, in der Eurozone anhand des Harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI), an dem die Europäische Zentralbank ihre Politik ausrichtet.
„Harmonisiert“ bedeutet, dass alle Länder der Europäischen Union dieselbe Messmethode anwenden. So wird sichergestellt, dass die Preisdaten der verschiedenen Länder miteinander vergleichbar sind. Der jeweilige nationale VPI und der einheitliche HVPI sind in Europa die wichtigsten Maßzahlen zur Darstellung der jeweiligen Inflationsrate.
Neben diesen Verbraucherpreisindizes existieren noch in der Öffentlichkeit weniger beachtete Indizes, etwa für Rohstoffe, Importe oder Erzeugerpreise. Eine weitere Möglichkeit der Preismessung existiert zudem mit dem sogenannten BIP-Deflator. Anders als etwa die Verbraucherpreisindizes bildet dieser nicht nur Preisänderungen der Güter eines ausgewählten Warenkorbs ab, sondern die Veränderungen aller Preise einer Volkswirtschaft. Aus diesem Grund wird er von Wissenschaftler:innen oft bevorzugt, während der Verbraucherpreisindex in den Medien eine stärkere Resonanz findet.
Preise sind das Herzstück einer Marktwirtschaft. Sie spiegeln Knappheiten wider und sorgen so dafür, dass Angebot und Nachfrage in Einklang gebracht werden. Stark vereinfacht ausgedrückt: Wird in einer Tauschwirtschaft etwa ein Gut knapp, steigt dessen relativer Preis. Die Konsument:innen werden relativ ärmer, können sich daher weniger andere Waren leisten. Deren Preis sinkt schließlich. Es kommt zu einer Änderung des relativen Preisgefüges – das Verbraucherpreisniveau bleibt insgesamt jedoch konstant. Änderungen der relativen Preise sind also in einer Marktwirtschaft an der Tagesordnung.
Steigen in einer modernen Volkswirtschaft die Preise von Waren und Dienstleistungen hingegen auf breiter Front, sinkt der relative Wert des Tauschmittels Geld. Die Kaufkraft der Konsument:innen verringert sich, da mit der gleichen Menge Geld aufgrund allgemein gestiegener Preise weniger konsumiert werden kann. Grund für solche Preisanstiege kann eine allgemein gestiegene Nachfrage sein, etwa wenn aufgrund von kräftigem Wirtschaftswachstum die verfügbaren Einkommen deutlich steigen.
Übersteigt die gesamte Nachfrage der Wirtschaftssubjekte das gesamte Angebot der Volkswirtschaft sind steigende Preise die Folge. Gleiches gilt, wenn der gesamtwirtschaftlichen Gütermenge eine zu große Geldmenge gegenübersteht, die die Nachfrage erhöht. Diese Preissteigerungen können in der Folge zu steigenden Löhnen und Gehältern führen, die die Nachfrage weiter steigern. Gleichzeitig bedeuten höhere Löhne steigende Kosten der Unternehmen, die dies als Anlass für weitere Preissteigerungen für ihre Waren und Dienstleistungen nutzen könnten. Die Folge wäre eine Lohn-Preis-Spirale.
Ein anderer Grund für Inflation kann die Verknappung des Angebots eines Schlüsselprodukts wie etwa Energie sein. Höhere Energiepreise verteuern über höhere Produktions- und Transportkosten die Preise vieler Gütern. Zudem können Unternehmen unter Kostendruck geraten, wenn sich die Preise beispielsweise wegen steigender Produktions- oder Rohstoffkosten erhöhen und es damit zu einem Angebotsschock kommt. Stark steigende Löhne und Gehälter oder eine beispielsweise aus dem Ausland importierte Inflation aufgrund einer schwachen Heimatwährung können einen solchen Angebotsschock ebenfalls auslösen.
Für 2022 betrug laut Statistischem Bundesamt die Inflationsrate im Durchschnitt 7,9 Prozent. Selbst im Zuge der Ölpreiskrisen in den 1970er-Jahren bis Anfang der 1980er-Jahre erreichten die Inflationsraten nicht das gegenwärtige hohe Niveau.
Vom Jahr 2023 an erwartet das Handelsblatt Research Institute (HRI) keine weiteren extremen Preissprünge: Die Inflation sollte allmählich zurückgehen. Im Gesamtjahr 2023 dürfte sie immerhin noch bei durchschnittlich fünf Prozent liegen. Doch selbst wenn die Energiepreise nicht weiter steigen sollten, dürften über höhere Löhne so genannte Zweitrundeneffekte ausgelöst werden, die dann zu einer weiteren Verteuerung vieler Güter und Dienstleistungen führen. Daher erwartet das HRI auch für das Jahr 2024 eine durchschnittliche Inflationsrate von drei Prozent, die immer noch deutlich über dem Zielwert der Europäischen Zentralbank von zwei Prozent liegt. Eine Rückkehr zum ursprünglichen niedrigeren Preisniveau scheint damit vorerst ausgeschlossen, selbst wenn es gelingt, die Inflation einzudämmen.
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